Mehr Besucher trinken weniger Bier
Festleitung und Oberbürgermeister sind rundum zufrieden - das neue Sicherheitskonzept hat sich bewährt
Das 165. Oktoberfest ist vorbei. Nach 16.Tagen bei überwiegend hervorragendem Volksfestwetter kann in München wieder ein wenig Normalität einziehen, nachdem das größte Volksfest der Welt wieder mit aller Macht den Rhythmus der Stadt bestimmt hatte. Alle Verantwortlichen zogen gestern ein positives Fazit der abgelaufenen Wiesensaison, obwohl die beiden gängigsten Erfolgsindikatoren in unterschiedliche Richtungen weisen: Die Besucherzahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 100 000 auf 6,5 Millionen gestiegen - der Bierkonsum ist um 200 000 auf fünf Millionen Maß gefallen.
OB Ude wußte gestern bei der Wiesn Schlußbilanz auch dies positiv zu deuten: "Wenn mehr Leute weniger Bier trinken, dann kann man das eigentlich nur vernünftig finden." Ein Rückgang des Bierkonsums sei "nicht als Krisensymptom zu werten", sondern zeige, daß die Wiesnbesucher ihr Geld immer bewußter ausgeben, und gerade auch bei den kräftig gestiegenen Bierpreisen zwischen 10,40 und 11,30 Mark mehr überlegen "wieviel sie tatsächlich vertragen". Festleiterin Gabriele Weishäupl hatte ganz generell einen "Eindruck von stärkerer Disziplin" bei den Wiesnbesuchern: Die Leute seien ruhiger geworden und gingen den größten Exzessen lieber aus dem Weg.
Dies korrespondiert mit dem offenkundigen Trend zum Familienfest. Die gestiegene Besucherzahl rührt unter anderem daher, daß mehr Familien mit Kindern schon am Nachmittag auf die Wiesn zogen. Die Limo- und Spezi-Umsätze sind im Gegensatz zum Bier stabil geblieben. Aufallend auch die Zahl der "verlorenen gegangenen Kinder" auf der Betreuungsstelle: Sie stieg von 65 in 1997 auf 102. Laut Weishäupl kann man für dieses Jahr von einer "Veränderung der Besucherstruktur sprechen".
Sowohl die Festleitung als auch die Beschicker hatten diesen Trend mit familienfreundlichen Sonderangeboten forciert und unterstützt. Ob die aus Sicht der Besucher so erfolgreiche Aktion "Hits für Kids" allerdings im nächsten Jahr fortgesetzt werden kann, scheint noch unsicher zu sein: Während die Festleitung von einer "zündenden Idee" sprach, war von den Schaustellern zu hören, daß sie die Mindereinnahmen durch die Sonderangebote nicht durch vermehrten Besucherzustrom ausgleichen konnte - sie haben also ein Minus gemacht mit den "Hits für Kids".
Absolut bewährt hat sich das Sicherheitskonzept, das nach dramatischen Zuständen auf der Wiesn 1996 entwickelt worden war und heuer erstmals zur vollen Entfaltung gekommen ist: Die Verlagerung von Zelten, die Aufweitung von Engstellen und die Einrichtung von neuen Rettungswegen haben die Sicherheitslage auf dem Oktoberfest ganz entscheident verbessert. Die härteste Belastungsprobe war überraschenderweise nicht am mittleren, sondern am letzten Wiesnsamstag: An keinem anderen Tag strömten heuer soviele Menschen auf einmal auf die Theresienwiese - etwa 650 000 sollen es gewesen sein, einige Zelte mußten schon mittags vorübergehend die Tore schließen.
Die "kleinen" Wiesn-Trends: Der Klau von Maßkrügen ist zurückgegangen, 140 000 Krüge (1997: 160 000) wurden vom Ordnungsdienst wieder eingesammelt. Beim Essen war vor allem alles vom Schwein gefragt. "Das Wiesnhendl hinkt hinerher", so Weishäupl. Die vom Kreisverwaltungsreferat wie immer streng geprüfte Schankmoral wird - wie in den Vorjahren - als "gut" bezeichnet. Ein Wiesnhit war diesmal in den Zelten nicht eindeutig auszumachen. Die südamerikanischen Klänge aus den Vorjahren verschwanden fast völlig, statt dessen dominierten deutsche Schlager. Als diesmal besonders erfolgreich hervorgehoben wird von der Festleitung der Mitgröl-Hit "Wahnsinn" von Wolfgang Petry.
Begeisterung herrschte bei Stadtspitze und Festleitung vor allem über den außergewöhnlich friedlichen Verlauf des Oktoberfestes 1998. Laut Ude hat die Wiesn gar einen "unfaßbar glücklichen Verlauf" genommen, wie man ihn "in den kühnsten Träumen nicht herbeizuwünschen gewagt hätte". Wirtschaftsreferent Reinhard Wieczorek sagte, man sei nun für die Wiesn 2000, bei der es wegen des gleichzeitig stattfindenden "Zentral Landwirtschafts Fest" wieder enger auf der Theresienwiese zugehen dürfte, bestens gerüstet.
Ude und Weishäupl dankten den Anwohnern der Theresienwiese für ihre Geduld während der 16 Tage Wiesn-Trubel. Und des OBs Rückblick galt wohl auch als Ausblick auf 1999: "Das ganze Jahr über granteln die Münchner und schimpfen auf das Oktoberfest, daß es einfach nicht mehr so schön sei wie früher. Und sobald dann der Anstich gemacht worden ist, sind sie wieder alle da und finden es so schön wie noch nie."
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 5.10.1998
  
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