Info: | 40 Stunden-Plan | Checkpoints | Profil | Strecke | Ergebnis | Diplôme |
Donnerstag | Als ich gegen 16:00 Uhr nach 600 km Autofahrt (von Frankfurt) in Chamonix ankomme, freue ich mich schon auf die fünf original französischen Croissants die ich mir in einer Bäckerei kaufen werde. (Ich weiß zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, dass ich bei meinem Wochenendtripp leider kein einziges original französisches Croissant verzehren werde.) Von meinem Park- und Übernachtungsplatz direkt vor der Eishalle ist alles in wenigen Minuten zu erreichen. Die Abholung der Startunterlagen klappt zügig und ich habe noch reichlich Zeit um ein wenig durch die Stadt zu laufen. |
Freitag | Um halb sieben werde ich wach und gehe erstmal in das städtische Schwimmbad zum Duschen. Dann, nach einem Frühstück am Auto mit Kaff vom Campingkocher, treffe mich mit Dirk (MDS 2007) zu einem weiteren Kaffee in einem Café. Am Nachmittag geht es zur Pastaparty, wo man aber leider sehr lange anstehen muss. Danach schaffe ich es noch, mich eine halbe Stunde im Auto auszuruhen bevor die Startvorbereitungen beginnen. Schon kurz nach dem Start um 18:30 Uhr im Zentrum von Chamonix werden meine schlimmsten Befürchtungen wahr. Bestimmt 90 Prozent der Teilnehmer laufen mit Stöckern rum. Da es besonders auf den ersten Kilometern sehr eng zugeht, ist es schon recht gefährlich wie manche Kollegen mit Ihren Stöckern rumfuchteln. Schon bald trifft eine Stockspitze mein Knie. Das 8 km lange Flachstück zu Beginn ist, trotz der allgegenwärtigen Gefahren von Stöckern aufgespießt zu werden, bald geschafft. Rein in den ersten Berg. Mal schauen ob es so steil ist wie vermutet. Ja, es ist so steil. Ich ahne, das wird ein lustiges Wochenende. Oben auf 1800 m angekommen geht es erst mal wieder 1000 m runter auf einer Strecke von 6 km. Die Wiese, mit den fetten Löchern drin, geht wohl im Winter mindestens als dunkel-dunkelrote Skipiste durch. Es dämmert schon und als ich unten in Saint Gervais auf 807 m Höhe angekommen bin, ist die erste Nacht angebrochen. Eine super Stimmung ist in der Stadt, aber ich halte mich nicht lange auf, denn ich habe noch 145 km vor mir. Auf den nächsten 23 km geht es nur selten moderat und stattdessen meistens steil bergauf. |
Samstag | Der erste Marathon ist in einer Höhe von 2400 m geschafft. Hier oben ist es nicht nur schweinekalt, es ist auch nebelig und man sieht mit der Stirnlampe auf dem Kopf nur ein oder zwei Meter weit. Auch deshalb bin ich bei den Abstiegen immer recht vorsichtig und vor allen Dingen im Verhältnis zu den Aufstiegen immer recht langsam. Die Langsamkeit liegt aber wohl in erster Linie an meinen Oberschenkeln, die mir jetzt schon sagen wollen, dass sie keine Lust mehr haben und schon gar nicht auf Abstiege.
Egal. Nach 884 m Abstieg, die 50 km sind nun geschafft, folgen wieder 1000 m Aufstieg auf über 2500 m. Steil rauf oder steil runter, deshalb bin ich ja wohl hier. Aber richtig Sinn macht das hier nicht, denke ich mir nun immer häufiger. Aber niemals denke ich, dass ich das hier nicht schaffen werde. Denn am allerwenigsten habe ich Lust auf einen zweiten Anlauf im nächsten Jahr. In Courmayeur (1190 m) ist nach 77,8 km ein großer Verpflegungspunkt mit Schlafmöglichkeit in einer Sporthalle eingerichtet. Hier muss man auch sein Gepäck mit Tauschklamotten abholen, das man vor dem Rennen in Chamonix abgegeben hat. Ich wechsele nur die Socken und die Innensohlen meiner Schuhe, da ich mir bei diversen Bachdurchquerungen nasse Füße geholt habe. Zufällig treffe ich Ralf Ruppert wieder, den ich vor dem Rennen mit seiner Freundin in Chamonix in der Pastapartyschlange kennengelernt habe. Auch ihm scheint es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Hier in Courmayeur ist es recht voll. Offensichtlich machen hier viele Teilnehmer eine ausgedehntere Pause. Ich mache mich nach 35 Minuten mit ein paar Colas, etwas trockenem Brot und einem Joghurt im Bauch wieder auf den Weg. Die Klopause verschiebe ich auf später, da es hier in der ganzen Halle nur eine (!) benutzbare Toilette gibt. Ganz schwach das. Wartezeit vor dem Klo kann ich überhaupt nicht gebrauchen, denn noch habe ich mein 40 Stunden Ziel nicht ganz aus den Augen verloren. Ein weiterer, supersteiler 800 m Aufstieg am Stück steht an. Solche Aufstiege machen doch immer wieder "Freude". Aber jedenfalls finde ich sie fast weniger schlimm als die darauf folgenden Abstiege. Danach geht es immer mal wieder ein paar hundert Meter rauf und runter, bis man auf dem 'Grand Col Ferret' angelangt ist, dem mit 2537 m höchsten Punkt der Strecke. Knapp 100 km sind nun geschafft. Gute 1 1/2 Marathons noch bis ins Ziel. Motivation kann ja so einfach sein. 25 km weiter in Champex-Lac sind wieder Matratzen für 'Schlafwütige' ausgelegt. Ich bin zwar müde, könnte auch bestimmt sofort einschlafen, aber nach 20 Minuten Aufenthalt geht es weiter. Als ich Champex-Lac verlassen habe, ist es 21:00 Uhr. 21:00 Uhr, das bedeutet, die letzte Nacht ist angebrochen und in wenigen Stunden wird es hell. Dann ist die letzte Nacht vorbei, es wird warm und es ist wirklich nur noch ein Klacks bis Chamonix. Ich bin wieder guter Dinge obwohl die 40 Stunden wohl kaum noch zu schaffen sind. Ich habe keinerlei Zeit mehr gut auf meinen 40 Stunden Plan und jetzt kommt die Nacht mit schweren, für mich langsamen Abstiegen. Aber das ist mir egal. Ich weiß, ich werde in Chamonix ankommen. In 39, 40 oder 41 Stunden, das ist wurst. Nach einem schweren Aufstieg nach Bovine auf 1987 m und dem anschließenden, ewig dauerndem Abstieg, erreiche ich gegen 1:00 Uhr in der Nacht Trient (1300 m). |
Sonntag | Dort bin ich ziemlich fertig. Es ist kalt aber im Verpflegungszelt geht es einigermaßen. Ich habe überhaupt keine Lust mehr weiter zu laufen. Meine Motivation ist ziemlich weit gesunken, auch weil ich nicht mehr daran glaube, die 40 Stunden zu knacken. Ich bin nun schon 5 Minuten hinter meinem Plan, aber dann müßte ich jetzt ohne Pause weiter laufen. Ich bin müde und überhaupt. Ein paar hundert Meter weiter steht ein über 700 Meter steiler Anstieg bevor worauf ich auch keine Lust habe. Ich will nicht raus, denn draußen ist es schweinekalt. So vertrödele ich fast eine halbe Stunde bis ich mich aufraffe. Ich verliere die Nerven und ziehe meine lange Strumpfhose an, die ich mitgenommen habe, weil sie schön leicht ist.
Wenige Minuten später, beim Aufstieg nach Catogne, ziehe ich die lange Hose wieder aus, denn das Teil juckt wie blöd und einmal in Bewegung, friert man sowieso nicht mehr, zumindest nicht an den Beinen. Oben angekommen geht es natürlich wieder runter. Dieses mal 800 m bis nach Vallorcine. Dort angekommen ist es fast schon geschafft. Noch eine kurze Pause und ein 2 km langes Flachstück, dann geht es wieder rein in den letzten Berg. 800 m steil bergauf. Komischerweise belastet mich das gar nicht mehr, denn dies ist der unwiderruflich letzte Aufstieg. Irgendwann stehe ich auf dem letzten Gipfel (2130 m) an diesem Wochenende. Nun geht es nur noch bergab. 1100 m tiefer liegt das Ziel und 300 m tiefer die letzte Verpflegungsstation. Hier gibt es nur noch wenige Getränke zur Auswahl. Das macht aber nichts, da es ja nur noch wenige Kilometer bis ins Ziel sind. Ich schaue auf die Uhr und stelle ein wenig überrascht fest, dass ich noch zwei Stunden Zeit bis zur 40 Stunden Grenze habe. Sollte ich die 40 Stunden doch noch schaffen können? Also schnell weiter. Sieben Minuten später lese ich auf einem Schild, dass es noch 7 km bzw. 2 Stunden bis Chamonix ist. Jetzt packt mich der Ehrgeiz und ich denke mir, dass das doch auch von mir zu schaffen sein muss, denn schließlich bin ich Läufer und kein Wanderer. Trotz meiner schmerzenden Oberschenkel laufe ich los und beschließe, bis Chamonix nicht mehr anzuhalten. Der Weg, 700 m bergab bis nach Chamonix, ist deutlich leichter zu laufen als befürchtet bzw. als die Bergabwege in den letzten 37 Stunden. Ca. eine Stunde vor der Zeit erreiche ich Chamonix, dann noch ein paar Minuten durch Chamonix und kurz danach ist das Zentrum erreicht. Schon ein paar hundert Meter vor dem Ziel sind links und rechts Banden aufgebaut. Ich werde nett von Dirk begrüßt, der in Courmayeur leider ausgestiegen ist. Noch ein paar Schlenker, dann rein ins Ziel nach 39 Stunden, 8 Minuten und ein paar Zerdrückten, persönliche Begrüßung über den Lautsprecher inklusive. Einige Zeit nach dem Lauf gehe ich erst einmal wieder in das städtische Schwimmbad zum Duschen und treffe mich danach mit Dirk und Christian (MDS 2007) beim Mittagessen in einer nahe gelegenen Kantine. Über die inklusive Verpflegung nach dem Rennen kann man wirklich nicht meckern. Danach lege ich mich 2 Stunden schlafen und entscheide mich dafür, auf die abendliche Party zu verzichten und heute schon ein paar Kilometer des 900 km Rückweges wegzumachen. Nach 300 km ist um 22:30 Uhr auf einem Autobahnparkplatz in Deutschland endlich Feierabend. |
Montag | Die restlichen 600 km am anderen Morgen sind dann nur noch ein Klacks und um 13:00 Uhr bin ich wieder in Osnabrück. |
Fazit | Der UTMB, ein Lauf, den man schon wegen der hohen Ausfallquote von regelmäßig über 40% mal probiert haben sollte (obwohl es keine Medaille gibt). Ein Lauf, der aber durchaus machbar erscheint und bei dem man mit gezieltem Training ein paar Stunden schneller im Ziel sein könnte. Ein Lauf, bei dem immer die Gefahr besteht, von Walkingstöckern aufgespießt zu werden. Ein Lauf, bei dem ein Großteil der Teilnehmer, leider auch wegen der abendlichen Startzeit, mindestens zwei Nächte durchlaufen muss. Ein Lauf, bei dem man zwei Nächte lang nichts von der bestimmt schönen Landschaft mitbekommt. Ein Lauf, bei dem die bürokratische Anmeldeprozedur mit Attest und Qualifikationsrennen abschreckt und der Hickack um Mindestgewicht des Rucksackes und Zwangsausrüstung etwas nervig ist. Aber auch ein Lauf, bei dem die sonstige Organisation stimmte, alle Helfer und Leute an der Strecke super drauf waren, bei dem man viele Leute trifft und noch einiges mehr ... |