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Schon "ewig" steht das Grand Union Canal Race (GUCR) auf meiner Must-Do-Liste. Eigentlich wollte ich es schon im letzten Jahr hinter mich gebracht haben, aber 2021 durfte man wegen der Corona-Reisebeschränkungen nur nach einer 14-tägigen Quarantäne nach England einreisen. 14 Tage Quarantäne in einem speziellen, mega teuren Quarantänehotel, um dann nur zwei Tage herumzulaufen. Tolle Idee! Insofern blieb mir nichts anderes übrig, als die ganze Canalslam Serie aus GUCR, KACR und LLCR zu canceln, weshalb ich es nun in diesem Jahr nachholen muss. Denn wenn man sich mal was vorgenommen hat, dann muss man es auch durchziehen.
Da man den ganzen Juni mit dem "9€-Ticket" alle Nahverkehrszüge nutzen kann, fahre ich ausnahmsweise mal wieder mit dem Zug nach Düsseldorf. Nach zwei Stunden, plus ein paar Minuten Verspätung, erreiche ich um 16:00 Uhr den Flughafen. Mit 35 Minuten Verspätung geht es um 19:20 Uhr weiter nach Birmingham. Ankunft um 19:40 Uhr (-1 Std.). Von dort weiter, mit der Hochbahn NEC, in einer Minute zum Flughafenbahnhof. Dann weiter für 2,60£ in 13 Minuten Fahrzeit nach Birmingham New Street, dem Hauptbahnhof in der Innenstadt. Vom Bahnhof ist es dann nur noch ein guter Kilometer bis zu meinem Hotel. Bei einem Chicken-Burger Pre-Race-Meal lasse ich den Tag ausklingen. Aufstehen um 4:45 Uhr. Noch schnell einen Kaffee und eine Laugenstange und um 5:30 Uhr gehe ich zum Start in die 5 Minuten entfernte Gas Street. In wenigen Minuten ist der Check-in erledigt, d.h., ich bin mal wieder etwas zu früh. Es sind noch 20 Minuten bis zum Start. Nach einer kurzen Ansprache und einigen Erklärungen von Dick, dem Gesicht und Gründer des GUCR, geht es pünktlich um 6:00 Uhr los. Ich bin guter Dinge, denn rechtzeitig scheinen alle Malaisen der letzten Wochen und Monate verschwunden oder rausgelaufen. Zügig und doch irgendwie gemächlich geht es voran. Das Wetter ist, entgegen der Wetterberichte aus den letzten Tagen, super. Kein Gewittersturm und kein Regen, stattdessen angenehme Temperaturen um geschätzte 15 Grad und ein leicht bewölkter Himmel. Nach 10,7 Meilen und 1:51:00 Stunden ist der erste Checkpoint erreicht, also wie Zuhause bei einem lockeren Trainingslauf. Das war die kürzeste Entfernung zwischen zwei Checkpoints. Die Entfernung zwischen den folgenden neun CP's beträgt jeweils zwischen 19 und 34 Kilometer. Das ist vollkommen ausreichend, denn man hat ja auch noch zusätzlich die Möglichkeit, in Gasthäusern oder sonstwo Dinge zu kaufen, wenn man unbedingt was benötigt. An den CP's, bzw. Verpflegungsstationen gibt es immer viele Getränke zur Auswahl, sowie einige Knabbersachen und Süßkram. Beim GUCR, als auch beim KACR und LLCR, werden max. 50 Startplätze für "unsupported competitors" vergeben. Die restlichen Startplätze sind für "supported competitors", die ihre eigene Crew mitbringen müssen. Diese wartet dann an bestimmten Stellen der Strecke, um ihren Teilnehmer zu versorgen. Ich habe als "unsupported competitor" keine Crew dabei und habe dafür die Möglichkeit, an mindestens jedem zweiten CP etwas Warmes zu essen. Auch wird ein Gepäckstück, das man am Start abgegeben hat, immer zum nächsten CP transportiert. Das ist sehr praktisch. Die immer außerordentlich netten und hilfsbereiten Helfer an den CP's bringen einem sofort seine Tasche, sobald man einen CP erreicht. Man wird gefragt, ob man etwas trinken oder essen möchte, oder ob man sonst etwas braucht und es einem gut geht. Gerne würde man sich dort länger aufhalten, aber dafür habe ich keine Zeit. Bis Kilometer 60 läuft es ganz gut. Ca. 7 Stunden sind vergangen, was einen schönen Vorsprung von 2 Stunden auf den Cut-off bedeutet. Das beruhigt ein wenig. Auf dem nächsten Teilstück wird es aber schon deutlich mühseliger. Ich werde immer langsamer. Noch ist das aber ok. Bei der 100 km Marke, zwischen CP4 und CP5, sind aber schon fast 14 Stunden vergangen. Das ist viel mehr als ich geplant hatte, weshalb ich schon jetzt ein wenig angedingst bin. Mein Plan war eigentlich, die 100 Meilen Marke nach 24 Stunden zu erreichen, aber das kann ich mit ca. 14 Stunden auf 100 Kilometer schon mal knicken. Jetzt muss ich mich irgendwie wieder aufbauen, was mir schwerfällt, denn es ist noch sooo weit und mein Ziel, unter 40 Stunden zu bleiben, gerät schon früh außer Reichweite. Wenigstens habe ich, nach fast der Hälfte der Strecke am CP5, schon 3,5 Stunden Vorsprung auf den Cutt-Off. Das ist gut und damit bin ich mir auch schon ziemlich sicher, dass ich das hier innerhalb der erlaubten 45 Stunden zu Ende bringen werde, sollte ich nicht plötzlich tot umfallen. Aber jetzt kommt die Nacht. Obwohl es immer noch nicht regnet, wird es langsam kalt. Da ich es aber leider nicht mehr schaffe so schnell zu laufen, dass ich warm werde, ziehe ich mir am CP5, gegen 22:30 Uhr, ein langärmeliges Bayern-Trikot über das Kurzärmelige. Darüber noch meine geliebte rote 5€-Windjacke vom Aldi und meine Bayern-Handschuhe - schon passt es einigermaßen mit der Kälte. Die Nacht ist irgendwie nicht so langweilig wie befürchtet. Ab und an sieht man vor oder hinter sich ein paar Lichter von Kollegen. Es ist ein ganz klein wenig spannend, wie schnell sich denn die Lichter entfernen oder näher kommen. Womit man sich die Zeit vertreiben kann, kaum zu glauben. Schon um 4 Uhr wird es langsam wieder hell. Da das ja auch irgendwie spannend ist, hat man schon wieder bald zwei Stunden und ein paar Meilen rumgebracht. Toll. Am Morgen fängt es dann doch leider ein wenig an zu regnen. Nicht so lange, nur ein paar Stunden und nicht so doll. Alles ist im grünen Bereich. Später am Vormittag kommt dann aber wieder die Sonne heraus und dann Sonne und Nieselregen gleichzeitig. Langsam werde ich müde. Jetzt nur nicht einschlafen, denn manchmal ist der sehr schmale Trampelpfad so nah am Kanal, dass man schnell im Wasser landen könnte, wenn man im Sekundenschlaf einen falschen Schritt macht. Das wird mir echt zu gefährlich. Endlich finde ich ein Plätzchen zum Ausruhen. An einer Schleuse, die Sonne scheint grad wieder schön, setze ich mich auf eine Mauer, lehne meinen Kopf gegen ein Geländer und stelle meinen Wecker auf 10 Minuten ein. Nur 10 Minuten, das reicht. 30 Sekunden später bin ich "weg". 7 Minuten später werde ich von einem Crewmitglied eines nachfolgenden Teilnehmers geweckt. Sie fragt mich, ob es mir gut geht. Ja, es ist alles gut. 7 Minuten Schlaf müssen auch reichen, denke ich mir und mache mich wieder auf den Weg. Und wirklich, die große Müdigkeit ist verschwunden. Die Gefahr, versehentlich im Wasser zu landen, ist deutlich reduziert. Obwohl es auf einer so langen Distanz natürlich auch ein paar Längen gibt, was ja logisch ist, insbesonders wenn man so lahm ist, ist es doch eigentlich nie wirklich langweilig. Es gibt sehr viele landschaftlich schöne und interessante Streckenbschnitte. Sehenswürdigkeiten über Sehenswürdigkeiten laden zum Verweilen ein, wenn man denn Zeit hätte. Man durchquert einige Ortschaften und Ausflugsgebiete. Gerade heute am Sonntag, an dem Queen Elizabeth ihr 70-jähriges Thronjubiläum feiert, sind viele Leute unterwegs und man sieht einige mit Union Jack geschmückte Häuser und Hausboote. Am frühen Nachmittag bekomme ich einen Anruf von meinem Hostel. Die Buchung für das Bett im 6-bed dormitory, die mir schriftlich bestätigt wurde und die ich auch schon bezahlt habe, wird gecancelt. Menschen ab 35 dürfen in dem Hostel nicht übernachten. Eine sogenannte age restriction. Hä??! Das merken die heute? Am Anreisetag? Und wo soll ich pennen? I'm in a race, wie man so schön sagt. Ich habe jetzt echt keine Zeit und Muße, mir eine andere Schlafgelegenheit zu suchen. Ganz toll!! Nach meiner Intervention bekomme ich lediglich drei andere Hostels vorgeschlagen, wo ich es mal versuchen soll. Ich bin ziemlich angep..... Soll ich mir jetzt die Nummern raussuchen und rumtelefonieren? Ich rufe Dori in Osnabrück an und bitte sie, dass sie das für mich erledigt. Wenig später findet sie in einem, vom Ziel fußläufig zu erreichenden Hostel, noch ein freies Bett. Den Stress hätte ich jetzt echt nicht gebraucht. Weiter geht's. Für die 100 Meilen habe ich über 26 Stunden gebraucht. Ganz gruselig. Ich schleppe mich weiter und weiter. Wenn ich mich nicht schon für die anderen beiden Läufe des Canalslam, den KACR und LLCR, angemeldet hätte, im Augenblick würde ich es nicht mehr tun. Die Füße sind dick. Die Fußgelenke lassen sich kaum mehr bewegen und einige Blasen an den Füßen machen das Ganze nicht toller. Ich bin demotiviert, weil mit jeder Stunde immer klarer wird, dass ich es nicht so rechtzeitig ins Ziel schaffen werde, dass noch ein Pub auf hat. Der Plan war, dass ich heute eigentlich noch ein Finisher-Guinness trinken wollte. Schade! Die Alternative ist, ohne Finisher-Guinness tot ins Bett zu fallen. Na ja, es gibt schlimmeres. Schaffe ich es wenigstens noch unter 40 Stunden? Als Uxbridge, ein Vorort von London, 20 Meilen vor dem Ziel erreicht ist, geraten auch die sub 40-Stunden außer Reichweite. Bald muss ich sogar nochmal meine Stirnlampe rauskramen. Weiter Richtung Paddington. Wie so oft, ziehen sich die letzten Kilometer wie Kaugummi. Endlich, nach knapp 41 1/2 Stunden, ist das Ziel in "Little Venice" erreicht. Ich erhalte die ersehnte, 12mm dicke, 360g schwere Medaille. Ein richtig schönes, fettes Teil. Obwohl auch hier im Ziel die Verpflegung top ist, mache ich mich schon kurze Zeit später auf den Weg in mein 1,5 Kilometer entferntes Hostel, denn langsam wird es wieder kalt und ich bin dann doch ein wenig uppe. Diesmal verweigert man mir kein Bett, obwohl der Kollege am Check-in freundlich darauf hinweist, dass das eine Ausnahme ist, denn auch hier gibt es age restrictions. Er erklärt mir, dass man über 45 Jahre nicht mehr im dormitory übernachten darf, sondern, dass man sich einen private room für teuer Geld nehmen muss. Außerdem käme man ja als "alter" Mensch evtl. nicht mehr in die 3. Etage des Stockbettes. Kein Witz. Der meinte das ernst. Am anderen Morgen, nach dem Auschecken aus dem Hostel, latsche ich nach einem kleinen Frühstück (kalter Kaffee und Croissant) aus dem Supermarkt noch ein wenig herum. Ich schaue mir nochmal das Ziel aus der Nacht an, das gleichzeitig auch der Start zum KACR in 7 Wochen ist, an. Dann noch ein Post-Race-Guinness und ein Post-Race-Meal, bevor es von der Paddington Station mit dem "Heathrow Express" in nur 15 Minuten für teure 25£ zum Flughafen geht. Zurück in Düsseldorf, erwische ich dann noch gerade so den Bummelzug nach Osnabrück, wo ich um 22:15 Uhr ankomme und ausnahmsweise mal nicht nach Hause latsche, sondern netterweise von Dori abgeholt werde. |
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